Unternehmen
Ein Interview mit Mirjam Borowietz
Frau Borowietz, Sie waren beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in der solaren Energietechnik tätig und haben Simulationsprogramme für Erdwärmetauschersysteme geschrieben, bevor Sie 2000 zur ZWP Ingenieur-AG kamen. Wie stand es um die Digitalisierung bei ZWP, als Sie angefangen haben? Mirjam Borowietz: ZWP war als TGA-Büro damals schon etabliert, immerhin seit 17 Jahren am Markt und plante gerade den Neubau des Umweltbundesamtes in Dessau. So kam auch der Kontakt mit mir zustande, da ZWP für die Konzeption des großen Erdwärmetauschersystems mit dem DLR zusammenarbeitete. Das Wort Digitalisierung gab es damals so noch nicht, aber ZWP hatte als eines der ersten TGA-Büros schon einen kleinen Bereich, der sich mit Gebäudesimulation und Beratung zu energieeffizienten Gebäudehüllen befasste. Als sie mich fragten, ob ich Interesse hätte, die Abteilung, die damals noch „Virtuelle Planung“ hieß, weiter aufzubauen, war ich Feuer und Flamme.
Wie genau haben Sie gearbeitet?
Mirjam Borowietz: Wir haben nicht nur technische Anlagen ausgelegt, sondern auch computerunterstützt untersucht, wie die Gebäudeklimatik funktioniert. Es ging zum Beispiel darum, wie man erreicht, dass ein großes Atrium nicht überhitzt. Oder: Wo im Gebäude kann man natürlich lüften, ohne große technische Anlagen einsetzen zu müssen? Dafür haben wir bereits Simulationstools für thermische Lastgänge und dreidimensionale Strömungssimulationen eingesetzt. Im Wesentlichen ging es aber darum, wie ich Architekten dabei unterstützen kann, ein Gebäude zu konzipieren, das schon im ersten Schritt möglichst wenig Energie verbraucht.
Das klingt sehr früh …
Mirjam Borowietz: Ja, wir haben das zu einem Zeitpunkt gemacht, als das ganz viele andere noch nicht konnten. Das fand ich als junge Ingenieurin natürlich sehr spannend. Auch im klassischen Planungsgeschäft haben wir bereits 2005 angefangen, in 3D zu konstruieren, um die immer komplexer werdenden Systeme in immer kleineren Technikflächen zu koordinieren. Da mussten wir erst einmal viel Lehrgeld bezahlen. Die Programme funktionierten noch nicht so, wie wir es uns wünschten, und der Aufwand bei der Erstellung von Plänen ging steil nach oben. Die Architekten haben überwiegend noch in 2D gearbeitet. Da hatten wir dann den 2D-Plan auf dem Tisch liegen, und wir haben unsere 3D-Konstruktion darübergelegt. Aber wir waren überzeugt, dass 3D die Arbeitsweise der Zukunft ist. Und unsere Zähigkeit hat sich ausgezahlt.
Haben Sie noch die Zeiten mit Tusche und Pergamentpausen erlebt?
Mirjam Borowietz: Nein, die kenne ich nur aus Erzählungen meiner älteren Kollegen. Als ich begonnen habe, gab es schon CAD-Pläne. Die waren aber noch in 2D und in einer ganz anderen Detaillierungstiefe, wie wir sie heute kennen.
Das hat sich inzwischen ja glücklicherweise geändert … Building Information Modeling, kurz: BIM, ist mittlerweile weit verbreitet für vernetzte digitale Planung, Bau und Bewirtschaftung eines Gebäudes. Zudem lässt sich das Bauwerk, bevor es gebaut wird, als geometrisches Modell visualisieren. Wie hat sich das auf die Arbeit bei ZWP ausgewirkt?
Mirjam Borowietz: Mittlerweile modellieren auch die meisten Architekten in 3D, sodass man gute Gesamtmodelle hat, die Architektur und Haustechnik integrieren. Die Mehrheit unserer Projekte sind unterdessen BIM-Projekte. Das geht über die 3D-Bearbeitung weit hinaus. Auch hier haben wir schon im Jahr 2011 angefangen, uns mit BIM zu beschäftigen. Damals haben wir ein Forschungsprojekt zusammen mit dem Architekturbüro Léon Wohlhage Wernik begonnen, um auszuprobieren, wozu wir in einem interdisziplinären Team fähig sind. Zunächst stand für uns im Mittelpunkt, welchen Mehrwert BIM für das Planungsteam hat, wie ich Planungsprozesse optimieren und besser ineinandergreifen lassen kann. Heute liegt der Fokus stärker darauf, welchen Mehrwert das Datenmodell für den Auftraggeber und den zukünftigen Betreiber hat.
Aber auch hier gibt es noch Optimierungsbedarf, oder?
Mirjam Borowietz: Ja, der Architekt und der TGA-Planer entwickeln ein Modell, dann kommt der Vergabeprozess an eine Firma. Diese arbeitet dann aber vielleicht mit einer ganz anderen Software und kann die angefertigten Modelle gar nicht weiternutzen. Denn mit BIM zu arbeiten, heißt ja noch lange nicht, dass alle mit derselben Software arbeiten. Gerade bei der Überleitung des Modells zur Ausführung und zum Betrieb gibt es heute noch Reibungsverluste, da viele für den Betrieb relevanten Informationen erst in der Bauausführung ergänzt werden können. Mittlerweile sind wir bei einigen IPA-Projekten dabei, wo dieses Problem glücklicherweise nicht mehr besteht.
Was ist bei IPA-Projekten anders?
Mirjam Borowietz: In der Baubranche ging es in den vergangenen Jahren viel um das Thema Schnittstellenabgrenzung: Was muss der andere machen, was mache ich, wie nahtlos gehen die Prozesse ineinander über? Bei der Integrierten Projektabwicklung (IPA) bringt man von Anfang an alle Akteure gemeinsam in einem Mehrparteienvertrag zusammen – mit derselben Zielausrichtung. Dadurch werden die Modelle durchgängiger. Es gibt keine Schnittstellenabgrenzung, sondern derjenige, der es am besten kann, macht es. Denn das Vergütungsmodell ist so orientiert, dass alle davon profitieren, das Projekt am besten und effizientesten abzuwickeln. Lean Management und BIM sind wichtige Bestandteile der IPA. Bei der Modellbearbeitung heißt das vor allem, dass von Anfang an mit der Baufirma und dem Bauherren zusammen ein BIM-Modell entwickelt wird, das für alle Beteiligten am besten nutzbar ist.
An welchen IPA-Projekten sind Sie schon beteiligt?
Mirjam Borowietz: Wir sind im Moment an drei Projekten beteiligt, die alle noch nicht abgeschlossen sind, dazu zählt das Projekt LIFE in Hamburg und der Neubau Siemensstadt Square am Standort in Berlin. Die Erfahrungen sind bisher sehr positiv. Die Dynamik der Zusammenarbeit ist unglaublich gut, weil man sich sehr offen mit den anderen Beteiligten austauschen kann, weil eine hervorragende Fehlerkultur herrscht und eine große Hilfsbereitschaft zwischen den Gewerken da ist, um an jeder einzelnen Stelle die beste Lösung zu finden.
Wie es scheint, lieben Sie bei ZWP die Veränderung …
Mirjam Borowietz: Ja, unsere Arbeit ist ein immerwährender Prozess, und ich bin fest davon überzeugt, dass ein Unternehmen Veränderung braucht, um lebensfähig zu sein. Wir haben ein Motto, das schon von unseren Firmengründern gelebt wurde und auch heute noch wahr und wichtig ist: Wer aufgehört hat, besser sein zu wollen, hat aufgehört, gut zu sein. Das ist ein Motto, das wir bei ZWP weiterhin sehr intensiv leben.
Wie blicken Sie vor diesem Hintergrund auf das Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz?
Mirjam Borowietz: Viele unserer Kommunikationsformen haben sich durch die Digitalisierung verändert. Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich noch Briefe und Faxe geschrieben, man traf sich oder telefonierte, wenn es etwas zu besprechen gab. Obwohl ich auch häufiger zum Fax gehen musste, war die Kommunikationsdichte eine ganz andere als heute. Manchmal laufen bei uns in großen Projekten 100 Mails pro Tag auf. Wenn ich das sehe, stelle ich mir vor, wie toll es wäre, KI mit unserer gesamten Datenbank und allen Projektinformationen zu füttern. Und immer, wenn ich eine Frage habe als Ingenieurin, bekomme ich eine passgenaue Antwort. Ich muss nicht aus 2.000 Richtlinien und 10.000 projektspezifischen Dokumenten versuchen herauszufinden, welche die passende normative Vorgabe und wie der letzte Abstimmungsstand ist. Darüber hinaus gibt es wie in jedem Beruf auch bei uns viele Routinetätigkeiten, die uns digitale Tools abnehmen können. Ich glaube, KI wird Entscheidungen datenbasiert gut vorbereiten können. Und vielleicht wird es irgendwann auch so sein, dass die Künstliche Intelligenz Teile unseres Planungsprozesses übernimmt und wir uns viel stärker der Beratung als der Detailkonstruktion widmen.
Und wie sieht es gerade in der Realität mit diesem Traum aus?
Mirjam Borowietz: Wir haben ganz viele Ideen, und ich bin absolut ungeduldig, weil ich gerne schon so viel mehr aus der KI-Entwicklung nutzen würde, als wir das im Moment können. Aber aktuell ist es noch unendlich aufwendig, eine KI passgenau mit unserer Datenbank zu füttern. Das funktioniert ja nicht auf Knopfdruck, eine KI muss trainiert werden. Aber wir sind dabei, uns das Know-how für solche Prozesse ins Unternehmen zu holen, wir befassen uns gerade intensiv damit und werden sehen, wie wir KI gewinnbringend nutzen können.
Sie sehen KI vor allem als Chance?
Mirjam Borowietz: Wir haben schon jetzt einen Mangel an Arbeitskräften in unserer Branche. Mit den Aufgaben, die vor uns liegen – dem nachhaltigen Umbau des Gebäudesektors, um in Deutschland unsere Emissionsziele erfüllen zu können –, kommt sehr viel Arbeit auf uns alle zu. Mit der Arbeitsweise, die wir heute haben, ist das kaum zu bewältigen. KI bietet sicher eine Möglichkeit, Effizienzgewinne zu schaffen. KI wird aber auch ganz klar für die energieeffizientere Steuerung des Gebäudebetriebs Mehrwerte bringen. Wir beschäftigen uns ja auch intensiv mit dem Thema Digitalisierung im Gebäudebetrieb und „Smart Building“.
Noch mal zurück zum Thema Kommunikation – war früher alles besser?
Mirjam Borowietz: Jede Zeit hat ihre eigenen Kommunikationsformen. Früher haben wir uns viel mehr persönlich getroffen. Heute finden viele Projektmeetings online statt, was vor Corona-Zeiten undenkbar gewesen wäre. Das spart Reisezeit und verbessert unseren CO2-Fußabdruck. Mitarbeitende nutzen viel häufiger die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten und sind dadurch flexibler. Bei allen Vorteilen sehen wir aber, wie wichtig es immer noch ist, jenseits technischer Fragestellungen persönlich miteinander zu sprechen. Ein Unternehmen wie ZWP lebt auch vom Gemeinschaftsgefühl. Umso mehr haben wir uns gefreut, in diesem Jahr, nach langer Corona-Pause, alle unsere Beschäftigten aus acht Standorten zu den ZWP-Tagen zusammenholen zu können. Eine gute Gelegenheit, sich besser kennenzulernen, sich fachspezifisch und fachübergreifend auszutauschen und vor allem als Team weiter zusammenzuwachsen. Und natürlich auch, um gemeinsam 40 Jahre ZWP zu feiern!
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